„Nach Umstellung der An- und Abflugverfahren im Jahr 2020 hat die Delitzscher Bevölkerung ein erhöhtes Flugaufkommen über der Stadt Delitzsch und damit auch eine erhöhte Lärmbelastung wahrgenommen“, schildert Bürgermeister Thorsten Schöne.
In einer umfangreichen Stellungnahme, die Delitzscher Stadträte in ihrer Sitzung am 28. Januar 2021 beschlossen haben, schildert die Stadtverwaltung Delitzsch, welche Fragen in den Antragsunterlagen unbeantwortet geblieben sind, welche Untersuchungen unterlassen wurden und welche Befürchtungen der Flughafenerweiterung entgegenstehen.
„Uns geht es dabei um den Schutz der Bevölkerung und die Einigkeit der kommunalen Familie“, so der Delitzscher Oberbürgermeister Manfred Wilde. Im Vorfeld hatten bereits die Stadt Schkeuditz und die Stadt Leipzig die Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens beantragt.
Ausgehend von der westlich an Delitzsch vorbeiführenden Flugroute bewegen sich zunehmend große Transportmaschinen in östliche Richtung über das Stadtgebiet von Delitzsch, um dort zu drehen und auf Grund der überwiegend vorherrschenden Westwinde den Landeanflug auf den Flughafen durchzuführen. Durch dieses Anflugmanöver hat sich nördlich von Delitzsch seit Anfang 2020 ein neuer Flugkorridor aufgetan.
Diese Fluglärmbelastung wurde in keinem der dargelegten Planungshorizonte berücksichtigt. Der Schwerpunkt der Anfragen aus der Bevölkerung liegt dabei auf dem gegenwärtigen Nachtfluglärm und dem beobachteten Flugaufkommen über dem Stadtgebiet.
Den Antragsunterlagen ist zu entnehmen, dass das Nachtschutzgebiet näher an das Stadtgebiet der Stadt Delitzsch heranrückt. Dies bedeutet, dass der durch den Fluglärm hervorgerufene äquivalente Dauerschallpegel und der fluglärmbedingte Maximalpegel näher an schutzbedürftige Nutzungsstrukturen der Stadt Delitzsch heranreichen. Auch wenn die Grenzen des Nachtschutzgebietes noch nicht bis an den Siedlungsbereich heranreichen, heißt es nicht, dass in den außerhalb des Schutzgebietes gelegenen Bereichen keine Lärmbelastungen vorliegen.
Durch die Starts der älteren und größeren Flugzeuge über die vergrößerte kurze Nordabkurvung wird beim westlichen Vorbeiflug an Delitzsch das Siedlungsgebiet besonders stark betroffen sein. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Piloten von den vorgegebenen Flugrouten teilweise erheblich abweichen.
Die Stadt Delitzsch fordert daher die Beibehaltung der Regelung für die Nordabkurvung zum Zeitpunkt der Aufnahme des Frachtflugbetriebes anstatt der Ausweitung der Nordkurve und eines verlängerten Geradeausfluges in der Startphase, verbunden mit einem Abdrehen in größerer Flughöhe, um die Siedlungsgebiete nicht zusätzlich mit Fluglärm zu belasten.
Die Planunterlagen sind aus vorgenannten Gründen unzureichend.
Daher möchte die Stadt Delitzsch geklärt wissen, in welchem Umfang das Stadtgebiet in die Planuntersuchungen unmittelbar mit einbezogen und die zuvor geschilderte Ist-Situation berücksichtigt wurde.
Daraus ergeben sich neben den zuvor genannten Forderungen zur Nachtfluglärmvermeidung nachfolgende Fragen:
- Wie viele Flugbewegungen führen unmittelbar oder direkt über das Stadtgebiet der Großen Kreisstadt Delitzsch?
- Wie viele Flugbewegungen tangieren das Stadtgebiet indirekt durch stadtnahe Start- und Landeanflüge?
- Wie viele Abweichungen und welche zulässige Abweichungstoleranz, bezogen auf den westlich der Stadt Delitzsch gelegenen Flugkorridor, gab es in den Jahren 2018 bis 2020 für Starts und Landungen?
- Gibt es Untersuchungen und Aussagen zur Nutzung der Nordkurve hinsichtlich der Flugzeugtypen, da verstärkt größere Maschinen von der Bevölkerung wahrgenommen wurden?
- Erfolgt der Ausbau ausschließlich für die Erhöhung des Frachtaufkommens von DHL oder auch der anderen ortsansässigen Dienstleister (CargoLogic, Rusla Salis, Amazon o. a.)?
- Ist mit dem Ausbau der technischen Infrastruktur auch bei diesen Unternehmen mit einer Erhöhung des Fracht- und Verkehrsaufkommens zu rechnen (Mitnutzungseffekt)?
Eine weitere Betroffenheit führt die Neufestsetzung des Siedlungsbeschränkungsgebietes herbei. Es erstreckt sich nunmehr weiter in nordöstlicher Richtung und erfasst ein Plangebiet der Stadt Delitzsch. Damit verbunden ist die Ausweitung des räumlichen Rahmens der Lärmbelastungen. Bei diesem Plangebiet handelt es sich um ein Industrie- und Gewerbegebiet, welches auf Grund nicht vorhandener schutzbedürftiger Nutzungen nur indirekt vom Planungsvorhaben betroffen ist.
In diesem spezifischen Zusammenhang bedarf es der Klärung nachfolgender Fragen:
- Inwiefern wirkt sich die Erweiterung der Lärmbelastungen auf bestehende Lärmkontingente (Kumulierung der Lärmwerte) des betroffenen Plangebietes (Bebauungsplan Nr. 4 Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest) aus?
- Für das Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest wurden auf Grund der Nähe zu schutzbedürftigen baulichen Anlagen im Rahmen der Bauleitplanung Immissionskontingente in Form immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel festgesetzt. Ob sich durch das Planvorhaben und die damit einhergehende Neu-ausrichtung der Fluglärmbelastung im Prognosefall Auswirkungen auf die in der Nähe des Flugkorridors befindlichen schutzbedürftigen Gebiete sowie auf das Industrie- und Gewerbegebiet ergeben, kann derzeit durch uns nicht eingeschätzt werden.
- Welche Auswirkungen hat die Ausweitung der Lärmbelastung auf die bestehenden, in Planung befindlichen und künftigen Wohngebiete am westlichen Stadtrand?
- In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass sich im Bereich Kyhnaer Weg/Hallesche Straße sowie in der Schkeuditzer Straße und in der Richard-Wagner-Straße größere Wohnbaugebiete im Planungsverfahren befinden, die für die Siedlungsentwicklung der Stadt Delitzsch von besonderer städtebaulicher Bedeutung sind. Eine Beeinträchtigung dieser schutzbedürftigen Gebiete durch nächtliche Fluglärmbelastungen ist auszuschließen.
- Welche planungsrechtlichen und sonstigen Anforderungen ergeben sich in diesem Zusammenhang für die Kommune bei der Umsetzung ihrer Bauleitplanung?
Außerdem verweist die Stadt Delitzsch darauf, dass in den Planunterlagen keinerlei Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf das durch die geplante Flugfelderweiterung betroffene europäische Vogelschutzgebiet „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“ DE 4439-452 sowie des festgesetzten Naturschutzgebietes „Werbeliner See“ getroffen wurden.
Aus den vorgennannten Gründen kann dem Planvorhaben nach derzeitigem Stand von Seiten der Stadt Delitzsch nicht zugestimmt werden.