Delitzsch, 27. Januar 2022
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Staatsminister,
sehr geehrte Frau Staatsministerin,
fast 24 Monate hat uns die Corona-Pandemie fest im Griff. In mittlerweile mehr als 45 Corona-Schutz- bzw. Notfall-Verordnungen hat der Freistaat Sachsen Regelungen für die Pandemiebekämpfung getroffen.
Uns ist bewusst, dass alle Maßnahmen abzuwägen sind, um ein Mindestmaß an Schutzvorkehrungen treffen zu können. Allerdings fehlt es an einer langfristigen Perspektive. Stattdessen muss sich die Wirtschaft Monat für Monat mit neuen und teilweise unverständlichen, unlogischen Regeln auseinandersetzen.
Corona ist ein Schock auch für die Delitzscher Gewerbetreibenden. Unvorstellbares wirkte bislang auf die verschiedenen Betriebe in Delitzsch ein und riss kleinen wie großen Unternehmen plötzlich den Boden unter den Füßen weg: Kurzarbeit, teilweise Entlassungen, Lieferengpässe, große Verwerfungen im Beschaffungswesen, die Bänder ruhten, Krankheit und sogar Tote.
Die Krise hat in Delitzsch jedoch verschiedenartige Auswirkungen. Dem Standort kommt zu Gute, dass es keine Monostrukturen gibt und die Wirtschaft breit aufgestellt ist. Demzufolge eröffnen sich teilweise neue Perspektiven. Viele haben neue Seiten an sich entdeckt und verstehen den erzwungenen Wandel auch als Chance.
Die Betriebe wollen in erster Linie ihren Beschäftigtenstamm halten. Das gelingt allerdings nur, wenn es sinn- und maßvolle Regeln für alle Menschen in Deutschland gibt.
Dabei spielt in Delitzsch die Grenzlage zu Sachsen-Anhalt eine bedeutende Rolle, denn für Handel, Beherbergung, Gastronomie und Dienstleistungen. gibt es im Nachbarbundesland immer wieder andere Infektionsschutzregeln, so dass in den letzten Monaten vermehrt ein Einkaufstourismus aus Delitzsch in die Bitterfelder Innenstadt, zum benachbarten Baumarktzentrum, zu den vielen Freizeiteinrichtungen und zum Factory-Outlet in Brehna verzeichnet wurde.
Für die Gastronomie ist entscheidend, sich wieder dem Kerngeschäft widmen zu können, statt sich auf die schwer zu kontrollierenden Ausnahmeregelungen, insbesondere den Impfstatus betreffend, zu konzentrieren. Die Gäste fühlen sich nur dann wohl, wenn sie Anreize für eine spontane Einkehr erhalten. Überbordende Regelungen verstehen sie nicht, erst recht, wenn zehn Kilometer weiter eine genüssliche Einkehr möglich ist, obwohl es kein grundlegend unterschiedliches Infektionsrisiko gibt.
Bei allem Verständnis zur Bekämpfung der Pandemie – das Coronavirus macht an keiner Landesgrenze halt!
In Bezug auf Infektionsschutzregeln (2G, 2G+ oder 3G usw.) gibt es eine Ungleichbehandlung zu den Regeln anderer Bundesländer. Das muss sich dringend ändern! Es ist wichtig, dass die sächsische Staatsregierung für eine Gleichbehandlung sorgt. In Bayern bspw. erhalten nun auch Ungeimpfte mit einem negativen Test wieder Zugang zu Geschäften. Die betroffenen Delitzscher Ladenbesitzer würden sich sehr freuen, wenn es diese Regelung auch in Sachsen gäbe, denn es fehlen wichtige Einnahmen.
Im Bereich der körpernahen Dienstleistungen gab es untereinander schon etliche unterschiedliche Regelungen, aber auch im Vergleich zu anderen Dienstleistern. Seit dem ersten Lockdown beklagt das Friseurhandwerk eine zunehmende Schwarzarbeit. Ständig ändernde Bestimmungen und die erforderlichen, zusätzlichen Hygienebestimmungen und Kontrollstufen führen zu einem hohen Kostendruck. Die Reglementierungen limitieren die Wirtschaftlichkeit und Orientierung.
Im Einzelhandel ist die Lage ebenfalls gravierend. Während hoch frequentierte großflächige Vollsortimenter weiterhin in großem Stil und ohne Sonderregelungen ihren Geschäften nachgehen können, unterliegen Spezialgeschäfte in der Innenstadt, wie Sport- oder Bekleidungsgeschäfte, Mobilfunkläden und Spielwarenhandel, strengen 2G-Zugangsregelungen.
Die Unternehmen in Delitzsch gehen bewusst und verantwortungsvoll mit der Situation um. Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit stehen im Vordergrund. In der Delitzscher Innenstadt gehen ungefähr 230 Unternehmen in Handel, Dienstleistung und Gastronomie ihrer gewerblichen Tätigkeit nach. Insbesondere in diesen Bereichen können restriktive und erprobte Hygienekonzepte sehr gut umgesetzt werden, da hier die Kontrollmöglichkeiten einfacher sind als beim großflächigen Einzelhandel.
Unternehmenshilfen werden in Anspruch genommen. Das neue Programm der Landesregierung für Kleinstunternehmen mit Personalverantwortung ist daher auch sehr zu begrüßen.
Dennoch steht zu befürchten, dass nicht jedes Unternehmen die Krise überleben wird. Insbesondere im Fachhandel, der Gastronomie, Hotellerie und unter den Soloselbständigen überwiegen Existenzängste.
Aus den betroffenen Unternehmen erfahren wir, dass sehr oft die psychischen und finanziellen Belastungsgrenzen mittlerweile überschritten sind, dass die Perspektive fehlt. Bei einigen kleineren Unternehmen macht sich Ratlosigkeit breit und viele Betroffene befürchten, dass eine Rückkehr zur Normalität noch eine ganze Weile dauern wird.
Wir zahlen momentan alle einen sehr hohen Preis und suchen Vorbilder, um am Ende nicht allein zu stehen. Wir sollten auch keine falschen Hoffnungen machen. Ein übereiltes und nicht durchdachtes Lockern wäre fatal. Dennoch sprechen wir uns für verständliche, einheitliche und länderübergreifende Regelungen aus.
Wir hoffen daher auf Ihr Verständnis und Ihre Prüfung unserer Überlegungen. Für Rückfragen stehen wir Ihnen sehr gern zur Verfügung und möchten Sie gleichzeitig zu einer offenen und zukunftsweisenden Diskussion und Lösungsfindung einladen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Manfred Wilde (Oberbürgermeister)
Rico Eichler, Dirk Köpnick, Christian Letzel (Vorstand Werbegemeinschaft Delitzsch e. V.)