„Solche exotischen Vögel in einem heimischen Gewässer – das schien für mich undenkbar“, so der Delitzscher Oberbürgermeister Dr. Manfred Wilde. Mittlerweile hat er sich überzeugen lassen. Tiergartenleiterin Julia Gottschlich ist ausgewiesene Vogelexpertin und hat die Sichtungen bestätigt: „Es handelt sich um Chileflamingos, die wohl aus einer Gefangenschaft geflohen sind und in unseren kühlen Breiten gut zurechtkommen.“ Im Schilfdickicht haben sie auch frostige Temperaturen überstanden und können nun am flachen Seeufer ihre Schlammkegelstümpfe für die Eiablage errichten.
Eine solche wilde Population ist in Deutschland kein Einzelfall. Seit 35 Jahren leben Chileflamingos am Zwillbrocker Venn in Nordrhein-Westfalen als wilde Kolonie.
Besser zu hören als zu sehen
Fast wie Gänse tröten die Flamingos, die aufgrund dieses typischen Rufs gut von anderen Vogelarten zu unterscheiden sind.
Daher sind sie auch eher zu hören als zu sehen, denn die Delitzscher Flamingos werden bald die orange-rosa Färbung des Federkleides verlieren. Im Werbeliner See fehlen die kleinen, roten Krebstierchen, aus denen die Flamingos bei der Verdauung die für die Federfärbung ursächlichen Carotinoide entziehen und die in Gefangenschaft zugefüttert werden.
In ein paar Wochen verfärben sich die Federn zu einem unauffälligen Grau. Dann sehen die Flamingos den heimischen Graureihern zum Verwechseln ähnlich.
Stadt froh über Artenvielfalt
In der Stadtverwaltung Delitzsch freut man sich über die neue Vogelart und überlegt schon, wie man Ornithologen als neue touristische Zielgruppe erschließt.
„Am Werbeliner See ist naturverträglicher Tourismus möglich und daher setzen wir auf Vogelkundler und Hobby-Ornithologen, auch mit Universitäten werden wir Kontakt aufnehmen“, so Alexander Lorenz, Referatsleiter für Wirtschaftsförderung und Tourismus in der Stadt Delitzsch.
Jegliche andere touristische Nutzung des Sees und der Umgebung hatte zuvor die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Nordsachsen ausgeschlossen und das Flora-Fauna-Habitat am See inklusive Seeflächen zum Naturschutzgebiet erklärt. Vor allem im heißen Sommer 2018 hatte das zu Diskussionen geführt, als das Landratsamt in Begleitung von Polizisten Badende mit Bußgeldern abgestraft hatte.
Die Hoffnung der Stadt Delitzsch ist nun, dass die Flamingos (stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten) am Werbeliner See bleiben dürfen, obwohl sie hier nicht heimisch sind. Gegen nicht heimische Bäume am See plant die Landkreis-Naturschutzbehörde nämlich den Einsatz radikaler Mittel – es sind Brandrodungen vorgesehen.